Zielsetzung

Quellenedition nimmt in Deutschland und Polen traditionell eine besondere Stellung im Bereich der Geschichtswissenschaft ein. Gerade hinsichtlich der Herausgabe von deutschsprachigen Geschichtsquellen aus Ostmitteleuropa haben Wissenschaftler beider Länder in der Vergangenheit Wesentliches geleistet, und hier wie dort werden auch heute wichtige Editionsvorhaben betrieben. Um ausgewählte Probleme der Quellenedition zu behandeln, die Deutsche und Polen gleichermaßen angehen, trifft sich seit 1999 ein Kreis von einschlägig interessierten Wissenschaftlern auf editionswissenschaftlichen Kolloquien. Dies geschah bislang im Wechsel am Friedrich-Meinecke-Institut der Freien Universität Berlin und am Institut für Geschichte und Archivkunde der Nikolaus-Kopernikus-Universität Thorn. Statt in Berlin wird das nächste Kolloquium am Institut für Geschichte der Julius-Maximilians-Universität Würzburg stattfinden. Konnte der große Themenbereich bislang auch noch nicht annähernd erschöpfend behandelt werden, so hat sich doch gezeigt, daß hier wie dort ein hoher Gesprächsbedarf besteht und zudem die Notwendigkeit anerkannt wird, die Zusammenarbeit bei der Quellenedition zu intensivieren. Der besondere Umstand, daß heute eine Vielzahl von deutschsprachigen Quellen in Polen liegt, wurde dabei viel weniger als Mangel denn als Chance begriffen. Beide Seiten haben ein starkes, legitimes Interesse an der Bearbeitung dieser Zeugnisse und sehen sich aufgefordert, die damit verbundenen Aufgaben gemeinsam zu meistern.

Ostmitteleuropa mit den historischen Regionen Preußen, Livland, Pommern und Schlesien stellt den Schwerpunkt in der Tätigkeit des Deutsch-Polnischen Gesprächskreises dar. Dieser Raum bietet sich in besonderem Maße für eine deutsch-polnische Zusammenarbeit in Fragen der Quellenedition an. Keineswegs wird aber eine regionale Begrenzung angestrebt. Von Interesse sind letztlich sämtliche editorischen Belange, die sich auf die deutsche und polnische Geschichte beziehen, ja selbst eine übergreifende europäische Perspektive erscheint nützlich und notwendig. Gegenstand sind gleichermaßen deutsche und lateinische Texte aus allen Perioden des Mittelalters und vom Beginn der Neuzeit. Das Programm der Kolloquien besteht aus einer Mischung von Fachvorträgen zu ausgewählten Schwerpunktthemen, zu gerade laufenden oder zukünftigen Editionsvorhaben und zu editorischen Methoden. Der Teilnehmerkreis soll nicht von vornherein Beschränkungen unterworfen werden. Anstatt eines geschlossenen Expertenzirkels wird, soweit dies die jeweils vorhandenen Möglichkeiten zulassen, größtmögliche Offenheit angestrebt, wobei auch angehende Wissenschaftler einzubeziehen sind, wenn sie mit der Editonsproblematik befaßt sind. Die Ergebnisse der Kolloquien werden der Öffentlichkeit in einer eigenen Publikationsreihe zugänglich gemacht.

So ist zu hoffen, daß mit dem Deutsch-Polnischen Gesprächskreis für Quellenedition eine Plattform entsteht, von der aus über die Kolloquien hinaus editorische Desiderate benannt, neue Editionsprojekte angeregt und nicht zuletzt Nachwuchskräfte, etwa im Rahmen von Dissertationsvorhaben, gewonnen werden können. Ideales Ziel ist es, mit dem Gesprächskreis integrativ zu wirken und Quellenedition, die nach wie vor die unverzichtbare Grundlage aller Beschäftigung mit Geschichte bereitstellt, in ihren Möglichkeiten zu fördern.

Helmut Flachenecker
Janusz Tandecki